Persönliche Erklärung zur Wahlrechtsreform
Persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten gemäß § 31 GO BT zum Tagesordnungspunkt ZP9 der 92. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. März 2023 (Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und des Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
Drucksache 20/5370)
Die Anzahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist bei den letzten Wahlen deutlich angestiegen. Dieser Anstieg schadet dem Ansehen der Demokratie in der Bevölkerung. Aus dem aktuellen Wahlrecht folgt, verbunden mit der stark veränderten Parteienlandschaft, nicht nur ein größerer Bundestag, sondern die Größe des Parlaments ist zudem kaum noch wirklich abschätzbar.
Diese Problematik ist seit vielen Jahren bekannt. Seit über zehn Jahren aber blockiert die CSU jegliche Wahlrechtsreform, die nicht zu ihrem Vorteil führt und das bis heute. Der Mini-Reform 2020 gab sie auch nur ihre Zustimmung, weil daraus drei nicht ausgeglichene Überhangmandate entstanden, die alle drei der CSU zugutegekommen sind. Dadurch ist die CSU heute im Deutschen Bundestag überrepräsentiert.
Ich unterstütze das erklärte Ziel unserer Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, die Anzahl der Mitglieder des Deutschen Bundestages deutlich zu reduzieren. Die Bundestagswahl ist und war eine personalisierte Verhältniswahl. Reformvorschläge, wie das sogenannte Grabenwahlrecht, die darauf abzielen dies zu ändern, kann ich nicht zustimmen. Vorschläge, die darauf abzielen, die Wahlkreisanzahl zu verringern, aber Überhang- und Ausgleichsmandate beizubehalten, sind nicht geeignet, tatsächlich das Ziel, die Anzahl der Bundestagsabgeordneten zu verringern, zu erreichen. Entsprechend ist der vorliegende Reformvorschlag von SPD, Grünen und FDP der einzige, der dem Ziel, den Deutschen Bundestag zu verkleinern, gerecht wird.
Gemäß des vorliegenden Gesetzesentwurfs werden auch in Zukunft die Mehrheitsverhältnisse anhand des Zweitstimmenergebnisses der Parteien gebildet. Parteien, die die Fünfprozenthürde nicht überwinden, ziehen nicht in den Deutschen Bundestag ein. Zudem entfällt die Grundmandatsklausel. Dies hat zur Folge, dass auch Wahlkreiskandidatinnen und Wahlkreiskandidaten, die in ihrem Wahlkreis die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten, nicht in den Bundestag einziehen, wenn ihre Partei auf Bundesebene nicht mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht.
Diese Regelungen sind in Deutschland nicht neu. Unter anderem entsprechen sie den Vorgaben, nach denen die Landtagswahlen in Bayern durchgeführt werden. Kritik an dem Gesetzentwurf richtet sich also automatisch auch gegen das bayerische Landtagswahlrecht.
Als bayerischer Abgeordneter erreichte mich die Kritik, dass es auf Grund der geplanten Wahlrechtsänderung dazu kommen könnte, dass Kandidatinnen und Kandidaten, die die meisten Erststimmen auf sich vereinen können, künftig nicht in den Bundestag einziehen. Entweder, weil ihre Partei nicht ausreichend Sitze im Deutschen Bundestag erringt oder sie bundesweit nicht die Fünf-Prozent-Hürde überwindet.
Diese Kritik lässt außer Acht, dass dies auch im aktuell gültigen Wahlrecht eintreten kann. Nämlich dann, wenn nach der Wahl ein siegreicher Direktkandidat aus dem Deutschen Bundestag ausscheidet. Dann rückt nämlich ein Kandidat der betreffenden Partei von der jeweiligen Landesliste nach.
Die Kritik wird oft im Verbund mit der Forderung vorgetragen, dass die Bürgerinnen und Bürger durch einen Abgeordneten aus ihrem Wahlkreis vertreten sein sollen. Legt man jedoch das Ergebnis der Bundestagswahl 2021 auf die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition um, so wird deutlich, dass jeder bayerische Wahlkreis mindestens durch einen direktgewählten Abgeordneten oder einen Abgeordneten, der über eine Landesliste in den Deutschen Bundestag eingezogen ist, vertreten wäre.
Vorbeugend möchte ich darauf hinweisen, dass es nach aktuellem Wahl- und Abgeordnetenrecht keinen Unterschied zwischen direktgewählten Abgeordneten und Abgeordneten, die über eine Landesliste einziehen, gibt. Sie haben die gleichen Rechte und Pflichten und auch die gleiche Legitimierung über eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl. Es bestehen lediglich zwei Wege, auf denen man Abgeordnete(r) des Deutschen Bundestags werden kann. Die Zuteilung der Sitze im Deutschen Bundestag auf die Parteien erfolgt über das Zweitstimmenergebnis. Bei der Zuteilung der Mandate innerhalb einer Partei hat die Erststimme Vorrang.
In der praktischen Arbeit füllt jede/r Abgeordnete sein/ihr Mandat in eigener Verantwortung aus. Aber weder bei der Arbeit im Parlamentsbetrieb noch im Wahlkreis und darüber hinaus gibt es eine unterschiedliche rechtliche Stellung der Abgeordneten.
Der Alternativvorschlag, die Anzahl der Wahlkreise zu verringern, führt auch zu der Fragestellung bezüglich der Vertretung der Bürgerinnen und Bürger, da die Wahlkreise dadurch größer werden. Zudem wird damit das Ziel, der Verkleinerung des Bundestags, nicht mit Sicherheit erreicht. Dies gelingt nur, wenn Überhangmandate und damit auch Ausgleichsmandate abgeschafft werden.
In den letzten Tagen habe ich zur Kenntnis genommen, dass es aus den Reihen der CSU offensichtlich starke Bedenken gibt, dass die CSU in Zukunft nicht mehr die Fünf-Prozent-Hürde überwinden könnte und somit viele Kandidatinnen und Kandidaten, die die meisten Erststimmen in einem Wahlkreis erhalten haben, nicht mehr in den Bundestag einziehen würden. Im Kern liegt dies aber nicht an einer Besonderheit im Wahlrecht, sondern an der besonderen Gegebenheit, dass die aktuell größte bayerische Partei nicht in anderen Bundesländern antritt. Diese Besonderheit trifft auf keine andere große und mittlere Partei in Deutschland zu. Es erklärt sich von selbst, dass die Erwartungshaltung, dass sich nun das bundesweit geltende Wahlrecht an dieser Sonderheit ausrichten muss, ins Leere laufen muss, denn das Wahlrecht gilt für alle Bürgerinnen und Bürger in allen Bundesländern gleich. Eine Lex-CSU kann es nicht (mehr) geben.
Sollte also die CSU als die Partei, die aktuell den größten Stimmenanteil in Bayern auf sich vereinen kann, befürchten, dass sie trotzdem in Zukunft die Fünfprozenthürde bundesweit nicht mehr überwinden kann, so kann sie mit der CDU gemeinsam antreten. Da CDU und CSU im Deutschen Bundestag jeweils keine eigenen Fraktionen, sondern eine Fraktionsgemeinschaft bilden, kann dies kein Problem darstellen. Weitergehenden Änderungen, wie z.B. die Prüfung der Möglichkeit, Listenverbindungen zu bilden, stehe ich offen gegenüber.
In der Gesamtabwägung mit dem übergeordneten Ziel die Anzahl der Bundestagsabgeordneten zu verringern, komme ich zu der Überzeugung, dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, Grünen und FDP zuzustimmen.