Karsten Klein

Persönliche Erklärung zum von SPD und CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)

Das enorme Schuldenpaket, das CDU, CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit den Grundgesetzänderungen auf den Weg bringen, wird dafür sorgen, dass sich die Verschuldungen des Bundes ebenso wie die Zinslasten in wenigen Jahren verdoppeln werden. Die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung wird nicht mehr gewährleistet sein. Eine Prioritätensetzung im Haushalt ist nicht abzusehen. Das Schuldenpaket ist eine einseitige Lastenverteilung zuungunsten zukünftiger Generationen und es ist das Gegenteil von dem, was CDU und CSU und von dem, was Friedrich Merz und Markus Söder den Wählerinnen und Wählern versprochen haben.

Die Schuldenbremse in der aktuellen Fassung berechnet den Verschuldungsspielraum, der geeignet ist, die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung zu gewährleisten. Neben diesem Verschuldungsspielraum tritt nach der Grundgesetzänderung ein weiterer Spielraum auf Grund der Ausnahmeregelung für den erweiterten Sicherheitsbegriff hinzu. Diese Ausnahmereglung umfasst Ausgaben für Verteidigung, Nachrichtendienste, IT-Sicherheit, Zivil- und Bevölkerungsschutz und in Hilfe für Staaten, die völkerrechtswidrig angegriffen werden, wie zum Beispiel die Ukraine.
Die Summe all dieser Ausgabe, die 1 % des BIPs übersteigen, werden in Zukunft von der Berechnung der Schuldenbremse ausgenommen. Wenn man auf der einen Seite anhand der Schuldenbremse Verschuldungsspielräume berechne, die die Tragfähigkeit gewährleisten und darüber hinaus weitere Verschuldung über Ausnahmeregelungen zulasse, muss jedem klar sein, dass die Tragfähigkeit in Zukunft nicht mehr gewährleistet ist.

Weiter verschärft wird die Lage der deutschen Staatsfinanzen durch die mögliche Errichtung eines neuen Sondervermögens für Investitionen im Bereich Infrastruktur und den neuen Verschuldungsspielraum der Länder. Diese Verschuldungsspielräume werden auf die Schulden innerhalb der bisherigen Schuldenbremse und die Ausnahmeregelung für den erweiterten Sicherheitsbegriff addiert. So entstehen Verschuldungsspielräume, die jenseits jeder Tragfähigkeit sein werden. Auch deshalb empfiehlt der Bundesrechnungshof, von diesen Vorhaben abzusehen.

Die äußere Sicherheit gehört zu den Kernaufgaben des Staates. Ausgaben für Kernaufgaben müssen aus laufenden Einnahmen gedeckt werden. Das ist eine Frage der Prioritätensetzung.

Wir Freie Demokraten erkennen natürlich, dass es durch den völkerrechtswidrigen Krieg, den Russland über die Ukraine gebracht hat und den politischen Schwenk der neuen US- amerikanischen Regierung einen erneuten akuten Handlungsbedarf für die Bundesrepublik gibt.

Aus vergleichbaren Gründen haben wir 2022 nicht nur der Errichtung des Sondervermögens Bundeswehr zugestimmt, sondern diese wurde vielmehr von unserem Bundesfinanzminister Christian Lindner konzipiert. Leider ist es im Nachgang zur Errichtung des Sondervermögens auf Grund des Widerstands von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht gelungen, zu einer neuen Prioritätensetzung im Haushalt zu kommen. Diese historische Chance darf kein zweites Mal vertan werden. Auf Grund der aktuellen Lage sprechen wir uns für eine zweite Stufe des Sondervermögens und eine Aufstockung auf 300 Mrd. Euro aus. Verbunden ist dies mit der Verpflichtung, endlich Ausgaben in Höhe von 2% des BIPs nach Nato-Kriterien im Kernhaushalt abzubilden.

Die Grundgesetzänderungen werden neben der ordnungspolitischen schweren Folgen auch haushälterisch neue Freiräume für Wahlgeschenke und konsumtive Ausgaben schaffen. Sie werden also den Konsolidierungsdruck verringern. Auf Grund der Ausnahmeregelung für den erweiterten Sicherheitsbegriff entstehen gemessen an den Haushaltszahlen des Jahres 2024 Spielräume in Höhe von ca. 20 Mrd. Euro. Auch das Sondervermögen für Investitionen eröffnet neuen Spielraum für Verschiebebahnhöfe in einem höheren zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich. Insgesamt verschaffen sich CDU, CSU und SPD mit dem Schuldenpaket erhebliche zusätzliche Freiräume für konsumtive Ausgaben.

Die Folgen dieser enormen Staatsverschuldung werden nicht nur im Bundeshaushalt zu spüren sein. Die steigenden Staatsausgaben werden mit anderen Maßnahmen aus dem Sondierungspapier wie z.B. die politische Erhöhung des Mindestlohns den Inflationsdruck erhöhen. Die zusätzlichen Zinsausgaben werden in naher Zukunft eine Belastung im Haushalt erreichen, die ungefähr dem jetzigen Betrag für Investitionen entspricht. Das wird zukünftige Generationen vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Steigende Zinssätze der Bundesrepublik Deutschland haben nicht nur Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Deutsche Staatsanleihen sind der Leitmarkt für Staatsanleihen in Europa. Steigende Zinssätze für deutsche Staatsanleihen treiben damit auch die Zinssätze für Staatsanleihen anderer europäischen Staaten in die Höhe. Die enorme geplante Staatsverschuldung von CDU, CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gefährdet damit die Stabilität des Euroraums.

CDU, CSU und SPD haben sich darauf verständigt, nach der Wahl des 21. Deutschen Bundestags, die Änderungen des Grundgesetzes im 20. Deutschen Bundestag zur Abstimmung zu stellen, obwohl die Wählerinnen und Wähler neue Mehrheitsverhältnisse gewählt haben.

Das halte ich aus Gesichtspunkten der demokratischen Glaubwürdigkeit für sehr problematisch. Hinzukommt, dass die Abgeordneten der 20. Wahlperiode im Grundgesetz erheblichen neue Spielräume für Staatsverschuldung eröffnen sollen. Über die Ausgestaltung dieser Spielräume sollen jedoch die Abgeordneten der 21. Wahlperiode abstimmen.

Wir Freie Demokraten haben bei der Grundgesetzänderung für die Einrichtung des Sondervermögens Bundeswehr Wert daraufgelegt, dass gleichzeitig das Errichtungsgesetz dieses Sondervermögens mit all der Definitionen zur Abstimmung kam.

Jetzt jedoch sorgen CDU, CSU und SPD dafür, dass über die Frage ob, wann und wie die Schulden vor allem des neuen Sondervermögens getilgt werden, die Abgeordneten der 21. Wahlperiode entscheiden werden. Genauso verhält sich es bei Begriffen im Änderungsgesetz, die einer Definition bedürfen wie bspw. Infrastruktur oder Verteidigungsausgaben. Nicht geklärt ist genauso, ob z.B. Investitionen in den Klimaschutz auch bedeutet, dass man in Klimafonds weltweit investieren kann oder ob Ausnahmen von der Schuldenbremse für Ausgaben in den Bevölkerungsschutz zur Folge hat, dass der Bund zukünftig verstärkt die Aufgaben der Länder im Katastrophenschutz finanziert.

Ob die Länder ihren neuen Verschuldungsspielraum und die Mittel aus dem Sondervermögen für Investitionen an die Kommunen weitergeben, ist genauso ungewiss. Die Kommunen besitzen ca. 50 % des öffentlichen Kapitalstocks und für ihre Finanzausstattung tragen die Länder die Verantwortung. Letztlich ist auch ungeklärt, welche Auswirkungen die Nennung des Ziels der Klimaneutralität bis 2045 verfassungsrechtlich haben wird.

Auch das parlamentarische Verfahren halte ich für höchst problematisch. Der Änderungsantrag zum Gesetzentwurf von CDU, CSU und SPD ging mir als Mitglied des Haushaltsausschusses erst wenige Stunden vor der Expertenanhörung zu. Die schriftlichen Stellungnahmen der Experten konnte so die Änderungen nicht behandeln. In Teilen wurden die Stellungnahmen von den Änderungen überholt.

Die Änderung des Änderungsantrags wiederum erreicht uns erst am Samstag, den 15. März 2025. Die Sitzung des Haushaltsausschusses musste von Freitag auf Sonntag kurzfristig verschoben werden. Eine weitere Anhörung über die Gegenstände der Änderung des Änderungsantrags u.a. die Frage nach den Folgen der Nennung des Ziels der Klimaneutralität bis 2045, wurde von der Ausschussmehrheit aus CDU, CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Das Verfahren wird nach meiner Meinung der Tragweite der Grundgesetzänderungen nicht gerecht.

All diese Gründe in Summe machen deutlich, dass ich aus ordnungspolitischen Gründen, aber vor allem in Verantwortung für unsere Kinder diesen Grundgesetzänderungen nicht zustimmen kann.